Ein Leben ohne Sinn und Energie
Als ich die Diagnose erhielt, dass ich irgendwann in meinem Leben blind sein würde, versuchte ich alles, um diesen Tag zu vermeiden, weil ich davor große Angst hatte. Doch je mehr ich gegen das Erblinden ankämpfte, desto schneller wurde ich frustriert und müde. Schließlich stellte ich fest, dass dieser sinnlose Kampf mich nicht weiterbrachte. Ich war nur darauf fixiert, das Erblinden zu vermeiden und alles dagegen zu tun. Natürlich schien mir dieser Weg zuerst als der einzige richtige. Doch als mein Sehvermögen immer schlechter wurde, erkannte ich, dass ich nicht mehr auf dem richtigen Weg war.
Ein „normales“ oder „besonderes“ Leben führen
Warum hat mich mein Vorgehen gegen das Blindwerden so müde gemacht? Weil ich mich zu sehr auf die äußere Sicht konzentriert habe. Dadurch habe ich nicht mein eigenes Leben gelebt, sondern versucht, wie jeder andere Sehende zu sein. Ich wollte eine schöne Jugend haben und die Welt bereisen. Doch durch meine Blindheit fühlte es sich an, als ob mir all diese schönen Dinge genommen wurden. Trotzdem habe ich alles versucht, um ein „normales“ Leben zu führen.
Leider sehe ich heute dasselbe bei vielen Menschen. Sie versuchen, ein Leben zu führen, das nicht von ihren persönlichen Werten bestimmt wird. Dadurch empfinden sie keine Bedeutung in dem, was sie tun. Irgendwann wird das Leben zu einem Kampf, bei dem man versucht, den Tag zu überleben und den Abend zur Erholung zu nutzen. So geht es Tag für Tag weiter, vielleicht sogar ein Leben lang.
Doch irgendwann erkannte ich, dass man manchmal eine Situation im Leben nicht ändern kann. Man kann sie einfach akzeptieren oder etwas „Besonderes“ daraus machen. Das Akzeptieren mag leichter erscheinen, aber es führt zu einem sinnlosen Leben und man hat keine Energie. Noch schlimmer ist, dass alles wie ein Kampf gegen etwas Unsichtbares erscheint, das man nicht wirklich besiegen kann.
Die bessere Variante ist, der Situation eine besondere Bedeutung zu geben, indem man darin Sinn erkennt und dadurch mehr Energie für den Tag spürt. In diesem Artikel werde ich beschreiben, wie man das genau macht.
Persönliche Werte führen zu mehr Sinn im Leben
Nun gut, wie macht man das eigene Leben zu etwas Besonderem? Natürlich muss man an sich arbeiten, aber wie arbeitet man an sich selbst, um aus einer schwierigen Situation etwas Besonderes zu machen? Hierfür ist es erforderlich, an der spirituellen Energietanksäule zu arbeiten. Bei der spirituellen Energietanksäule geht es darum, mehr Sinn in den täglichen Aktivitäten zu empfinden. Wenn man darin Sinn empfindet, wird man diese Aktivitäten mit mehr Energie umsetzen. Doch die Arbeit, Sinn zu empfinden, kann anstrengend sein und erfordert Zeit und Geduld. Vielleicht scheuen deswegen viele Menschen davor zurück und haben das Gefühl, ein sinnloses Leben zu führen.
Um Sinn im Leben zu empfinden, sollte man die persönlichen Werte kennen. Eine gute Möglichkeit, damit zu beginnen, ist sich zu fragen, was man gerne im Urlaub tut. Möchte man mit anderen Menschen über ein bestimmtes Thema sprechen? Vielleicht spazieren gehen und die schönen Sehenswürdigkeiten betrachten? Oder vielleicht jemanden zu einem Essen einladen und ihm einfach zuhören?
Fällt es einem schwer, sich daran zu erinnern, was man im Urlaub gerne macht, dann können auch Erinnerungen aus der Kindheit helfen. Was hast Du als Kind gerne gemacht? Vielleicht gerne gemalt oder gebastelt? Vielleicht gerne gesägt und Nägel in ein Stück Holz gehämmert? Vielleicht hast Du gerne mit den Putzmitteln deiner Oma herumexperimentiert?
In meiner Kindheit war es so, dass ich gerne Menschen geholfen habe. Zuerst dachte ich, dass ich armen Menschen helfen möchte. Doch durch längere Selbstanalyse habe ich festgestellt, dass ich Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung weiterhelfen möchte. Dadurch habe ich zwei meiner persönlichen Werte gefunden: Helfen und persönliche Entwicklung. Die persönliche Entwicklung besteht hierbei aus vier Bereichen: der körperlichen, emotionalen, mentalen und spirituellen Energie. Daher ist Energie der dritte persönliche Wert, der für mich sehr wichtig ist. Energie bedeutet für mich Bewegung und Dynamik. Ruhe ist okay, aber mir gefällt es viel mehr, wenn ich mich in Umgebungen befinde, wo viel Energie vorhanden ist, also Umgebungen, wo es mehr Bewegung und Dynamik gibt. Diese Bewegung sollte aber für mich Entwicklung und Helfen beinhalten.
Dadurch habe ich für mich herausgefunden, was mir besonders gut gefällt: Die persönliche Entwicklung, anderen Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu helfen und wenn dabei Energie oder Bewegung und Dynamik vorhanden sind, fühle ich mich noch wohler in dieser Umgebung.
In meiner Kindheit hatte ich auch den Wunsch, etwas Besonderes zu sein. Ich experimentierte sehr lange an meinem Computer und versuchte mathematische Funktionen zu plotten. Aus dieser Zeit weiß ich, dass ich eher ein Wissenschaftler bin, der gerne analysiert und untersucht. Ich mag es viel mehr, auszuprobieren. Das ist bis heute in mir geblieben. Obwohl ich blind bin, arbeite ich gerne am Computer, trainiere Modelle aus dem Bereich des Machine Learnings und kann es kaum erwarten, die Ergebnisse zu „sehen“.
Ich bekomme meine Motivation, weil ich hier meine inneren Werte – Helfen und persönliche Entwicklung – wiederfinden konnte. Ich möchte ein assistives Navigationssystem für blinde Menschen entwickeln, das sie auf dem Gehweg unterstützt. Gleichzeitig kann ich mich dabei weiterentwickeln, weil mir die praktische Wissenschaft sehr gefällt.
Durch diese Erfahrung konnte ich meine persönlichen Werte identifizieren: Helfen, persönliche Entwicklung, Energie, Wissenschaft und Analyse. Ich versuche nun, all meine Aktivitäten an diesen Werten auszurichten. Dadurch kann ich mehr Sinn in meinen Aktivitäten finden und habe im Laufe des Tages viel mehr Energie.
Es ist mir wichtig, auf einen bestimmten Punkt einzugehen: Die „Schwächen“ eines Menschen. Ich finde, dass diese Definition von „Schwächen“ nicht ganz passend ist. Wir Menschen neigen oft dazu, eine Situation negativ zu bewerten. Hier ist ein Beispiel: Als Kind war ich sehr still und sprach nicht viel. Viele Menschen dachten, ich sei schüchtern oder ängstlich. Das stimmt jedoch nicht! Ich höre gerne zu, analysiere Worte und mache mir Gedanken darüber. Wenn ich eine Lösung für ein Problem gefunden habe, möchte ich sofort helfen, damit der Mensch sein Problem bewusst erkennt und sich dadurch weiterentwickeln kann.
Deshalb sollte man sich nicht nur auf seine Stärken konzentrieren, sondern auch auf seine Schwächen, da schon eine kleine Änderung in der Schwäche dazu führen kann, dass man eine besondere Fähigkeit besitzt, die man gerne ausübt.
Auch ich habe mein Sehen lange Zeit als Schwäche betrachtet und angenommen, dass ich die Welt nicht richtig sehen kann. Doch dann erkannte ich, dass ich die Welt auf eine andere Art wahrnehmen kann. Diese Erkenntnis hat zu einem neuen persönlichen Wert geführt: Wahrnehmung. Es macht mich glücklich, wenn ich Menschen dabei unterstützen kann, sich persönlich weiterzuentwickeln, und ich versuche, die Menschen in meiner Umgebung auf meine Art wahrzunehmen, um sie besser verstehen und unterstützen zu können.
Noch etwas ist mir hierbei wichtig: Ich vertrete nicht nur meine eigene Meinung, dass das Finden der persönlichen Werte etwas Gutes ist. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich damit. Insbesondere der Einfluss persönlicher Werte auf die Lebenszufriedenheit wird in der Sozialpsychologie untersucht. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet ist Shalom Schwartz, der verschiedene Kulturen untersucht hat, um gemeinsame Werte zu identifizieren. Er unterteilt die Werte in Kategorien wie „Universalismus – Verständnis, Wertschätzung, Toleranz und Schutz für das Wohlergehen aller Menschen und für die Natur“, „Selbststeuerung – unabhängiges Denken und Handeln – eigene Ziele setzen, erschaffen und erforschen“ oder „Leistung – persönlicher Erfolg durch den Nachweis von Kompetenz nach sozialen Standards“.
Wenn für jemanden persönliche Werte wie Selbststeuerung und Leistung wichtig sind und er/sie diese Werte in seiner/ihrer Umgebung nicht ausleben kann, hat dies einen negativen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit und wird weniger motiviert sein, seine/ihre Ziele in dieser Umgebung zu verfolgen. Daher ist es sehr wichtig, die eigenen persönlichen Werte zu kennen und eine Umgebung auszuwählen, in der man diese Werte auch leben kann.
Die Technik um die persönlichen Werte zu identifizieren
Nun gut, ich möchte nun eine Technik vorstellen, die dich dabei unterstützen kann, deine persönlichen Werte zu identifizieren. Zeichne dazu auf ein Blatt Papier ein großes Rechteck, sodass es ungefähr die Hälfte des Papiers einnimmt. Das Papier sollte im Hochformat ausgerichtet sein. Zeichne in der Mitte des Rechtecks eine vertikale Linie, sodass das Rechteck in einen linken und rechten Teil unterteilt wird. Schreibe in den rechten Teil alles auf, was dir gefällt oder was du gerne machst. Schreibe in den linken Teil alles auf, was dir nicht so gefällt oder was du nicht so gerne machst. Schaue dir deine Sätze im linken Teil genau an und versuche, mehr als eine Eigenschaft zu definieren, was dir im rechten Teil gefällt. Verwende dafür zum Beispiel mein Beispiel, wie ich von einem stillen und ängstlichen Kind zu einem zuhörenden und analysierenden Kind wurde oder wie ich Blindheit in eine andere Wahrnehmung umgewandelt habe.
Natürlich können Eigenschaften vorhanden sein, die im linken Quadranten bleiben. Manchmal braucht es Zeit, bis man diese in den rechten Quadranten verschieben kann. Manche bleiben auch immer im linken Quadranten. Aber das ist nicht schlimm. Es gibt auch diese Eigenschaften und es ist schön, auch diese zu kennen, weil man sich dadurch besser kennenlernen kann.
Versuche nun aus den Sätzen aus der rechten Seite Werte zu entwickeln. Eine Liste von Werten gibt es genug im Internet, zum Beispiel Anerkennung, Freude, Entwicklung, Dynamik, Hilfe, Leidenschaft, Führung, Harmonie, Leistung, Selbststeuerung und noch viele mehr.
Versuche auch für die linke Seite, deine persönlichen Werte zu finden. Diese können sich zwar wie Angst, Einsamkeit oder Frustration anhören. Schreibe sie trotzdem auf! Wie gesagt, diese zu kennen, ist wichtig, weil man so besser ein Bild von sich selbst machen kann und dadurch eigenes Verhalten viel besser versteht.
Bei mir steht zum Beispiel im linken Teil, dass ich mich manchmal einsam fühle, also steht da Einsamkeit. Das kommt aber nur dann vor, wenn ich mich als Blinder fühle. Dadurch habe ich verstanden, dass, wenn ich mich auf meine andere Wahrnehmung konzentriere, dann fällt die Einsamkeit weg, weil ich Menschen anders wahrnehmen möchte.
Nochmals, nimm dir die Zeit dafür und bewahre dieses Rechteck gut auf. Bei mir hat es viele Jahre gedauert, bis ich meine Werte hatte. Damit ist aber diese Arbeit nicht beendet. Ich arbeite immer noch mit meinem Rechteck. Denn ich entdecke mich jeden Tag neu und kann mich so immer wieder mehr entwickeln.
Gut, was macht man nun mit den persönlichen Werten? Wir möchten ja mehr Sinn im Leben erkennen, damit wir mehr Energie haben und so auch motivierter sind. Schau dir deine persönlichen Werte an und frage dich, ob diese inneren Werte auch bei den täglichen Aktivitäten vorkommen. Wenn nicht, überlege dir, ob du deine Aktivität oder die Umgebung ändern musst, damit du deine persönlichen Werte ausleben kannst. Dies ist sehr wichtig, weil man so mehr Sinn im Leben spürt und daher mit mehr Energie an den eigenen Aufgaben oder Zielen arbeitet.
Ich hoffe, ich konnte dir zeigen, wie wichtig es ist, die persönlichen Werte zu kennen und die Aktivitäten oder Umgebung an diese anzupassen. Manchmal ist das nicht gleich möglich, doch wenn man dranbleibt, wird man es schaffen.
Meine persönlichen Werte haben mir geholfen, mein Leben besser zu verstehen und etwas Besonderes daraus zu machen. Genau das Gleiche wünsche ich auch für dich! Mache dein Leben zu etwas Besonderem, indem du darin mehr Sinn erkennst.