Die Müdigkeit mein ständiger Begleiter
Für eine Zeit lang war ich sehr motiviert, mich persönlich weiterzuentwickeln. Ich achtete auf meine Gesundheit, indem ich viel Sport trieb und mich gesund ernährte. Als nächstes definierte ich meine Ziele. An manchen Tagen konnte ich sehr gut an meinen Zielen arbeiten, aber seltsamerweise war ich oft müde und kam daher nur schleppend voran. Ich musste mich zum Arbeiten zwingen und verstand meine Situation nicht.
Um mir Klarheit zu verschaffen, holte ich mir ein paar Bücher über Erfolg und las heraus, dass Disziplin ein wichtiger Faktor für Erfolg ist. Anhand meiner Handlungen nahm ich zuerst an, dass ich nicht sehr diszipliniert war, da ich im Bearbeiten meiner Ziele keine großen Fortschritte erkennen konnte.
Führt diszipliniert arbeiten zur Selbstzweifel und Frustration?
Da ich bei meinen Zielen keine großen Fortschritte beobachten konnte und annahm, dass ich nicht diszipliniert arbeite, war ich dann sehr frustriert. Ich fing sogar an, an mir selbst zu zweifeln. Gedanken wie: „Du kannst das nicht“ oder „als Blinder bin ich zu nichts in der Lage“, schwirrten mir die ganze Zeit durch meinen Kopf. Dadurch nahm ich an, dass vielleicht nicht meine Disziplin, sondern meine negativen Gedanken schuld daran waren, dass ich nicht vorwärts kam.
Also versuchte ich, meine negativen Gedanken durch ein positives Mindset zu ersetzen. Positive Gedanken wie: „Auch als Blinder schaffst du alles“, „Jeder Tag ist eine neue Chance, noch erfolgreicher zu werden“. Mein Lieblingssatz ist „Ich bin ein Geschenk für die Welt“.
Wie gut auch diese Gedanken sind, meine Müdigkeit oder Lustlosigkeit konnten sie leider nicht wegzaubern. Ich stellte fest, ein positives Mindset alleine war also nicht die Lösung für mein Problem.Daher habe ich mich nochmals auf die Suche gemacht, um diese Situation besser zu verstehen und konkret besser mit dieser Situation der Müdigkeit oder Lustlosigkeit umzugehen.
In diesem Artikel möchte ich eine Methode beschreiben, welche mir sehr geholfen hat mit solchen Situationen der Müdigkeit und Lustlosigkeit besser umzugehen.
Deinen Energie für den Tag messbarer machen
Der Wissenschaftler in mir saß an seinem Tisch und grübelte. Mit einem positiven Mindset konnte er sich nicht zufrieden stellen. Er brauchte etwas Messbares, das genau beschreibt, wie gut man für den Tag vorbereitet ist. Etwas Ähnliches wie die Benzinanzeige, die anzeigt, wie viel Benzin noch im Tank ist und wie weit man damit noch fahren kann.
Dann begann der Wissenschaftler zu lachen. Ich konnte das Lachen in mir ganz deutlich hören. Die Idee mit der Energieanzeige, womit man erkennen kann, wie viel Energie man für den Tag hat, war fantastisch. Leider stellte der Wissenschaftler bei seinen Untersuchungen fest, dass es beim Menschen mit der Energieanzeige nicht so einfach ist. Aber er hat nicht aufgegeben, weil er sich brennend für dieses Thema interessiert.
Fangen wir also mal an und versuchen, die Müdigkeit besser zu verstehen. In verschiedenen Bereichen der Psychologie wird untersucht, wie man den physischen oder mentalen Zustand durch ein Assessment bewerten kann. Es gibt jedoch unterschiedliche Meinungen, da die Bewertung von Müdigkeit sehr stark subjektiv ist. Jeder definiert Müdigkeit anders. Darum wird versucht, durch gezielte Fragen eine genaue Bewertung der Müdigkeit zu bekommen.
Dabei untersucht man die Gegensätze zur Müdigkeit. Die Gegensätze können Vitalität, Wohlbefinden und Lebensqualität sein.
Es ist verständlich, dass man sich weniger müde fühlt, wenn man sich vitaler fühlt, ein besseres Wohlbefinden hat oder eine höhere Lebensqualität spürt. Also muss zuerst geklärt werden, was Vitalität, Wohlbefinden und Lebensqualität sind. Beschreiben sie das Gleiche oder beschreiben sie unterschiedliche Dinge?
Hierzu habe ich den interessanten Artikel „Disentangling Vitality, Well-Being, and Quality of Life: A Conceptual Examination Emphasizing Their Similarities and Differences With Special Application in the Physical Activity“ im „Journal of Physical Activity and Health“ gefunden, der 2012 erschienen ist.
In diesem Artikel wird beschrieben, dass Vitalität, Wohlbefinden und Lebensqualität hierarchisch in Abhängigkeit zueinander stehen. Dabei ist Vitalität die unterste Ebene, Wohlbefinden die mittlere Ebene und Lebensqualität die oberste Ebene. Dadurch kann man sagen, dass die Vitalität nur einen Teil des Wohlbefindens abdeckt und das Wohlbefinden nur einen Teil der Lebensqualität abdeckt.
Wenn man also eine starke Vitalität hat, hat man auch mit großer Wahrscheinlichkeit ein besseres Wohlbefinden. Das Gleiche gilt auch für die Lebensqualität und das Wohlbefinden. Die Lebensqualität hat auch eine Abhängigkeit vom Wohlbefinden. Das bedeutet, dass mehr Wohlbefinden mehr Lebensqualität erzeugt. Das bedeutet: Vitalität erzeugt mehr Wohlbefinden und dadurch mehr Lebensqualität.
Der Wissenschaftler in diesem Artikel fokussiert sich auf die Vitalität, da sie die unterste Ebene der Hierarchie beschreibt.
Wir möchten nun den folgenden Artikel weiter besprechen: „Workplace Physical Activity Program (WOPAP) study protocol: a four-arm randomized controlled trial on preventing burnout and promoting vigor“, der 2019 im Journal BMC Public Health veröffentlicht wurde.
In dieser Studie wird untersucht, ob physische Aktivität einen positiven oder negativen Einfluss auf die Vitalität und Burnout hat. Eine interessante Fragestellung dabei ist, ob nicht nur die physische Aktivität an sich, sondern auch die Art und Weise, wie sie ausgeführt wird, wichtig ist.
Eine Aktivität, die man ungern ausführt und die Stress auslöst, hat auf jeden Fall einen negativen Einfluss auf die Vitalität. Hingegen hat eine Aktivität, die motivierend, vitalisierend oder energetisch wirkt, einen positiven Einfluss auf die Vitalität und kann sogar das Burnout reduzieren.
Aufgrund dieser Erkenntnisse habe ich als Wissenschaftler eine Liste meiner Aktivitäten erstellt und bewertet, wie gerne ich sie ausführe. Leider musste ich feststellen, dass ich meine Aktivitäten wie Bewegung, Ernährung und Arbeit nicht besonders gerne ausführe.
Nun stellt sich die Frage, ob man einfach loslegen und nach Aktivitäten suchen sollte, die motivierend oder vitalisierend sind, oder ob man diese Suche durch eine gezielte Sammlung von Fragen besser unterstützen kann.
Richtig Energie tanken durch angepasste Aktivitäten
Was passt am besten zu dir: Boxen, Gewichtheben, Nordic Walking, Rudern oder Yoga? Man kann nun alles ausprobieren und hoffen, dass die Aktivität einen positiven Einfluss auf die Vitalität hat, oder man kann kontrollieren, welche Punkte wichtig sind, um eine gute Vitalität zu erreichen.
Was mir hierbei geholfen hat, ist das „Shirom Melamed Vigor Measure“. Diese Umfrage wurde ursprünglich benutzt, um die konzeptionellen Bereiche der Vitalität bei der Arbeit zu bewerten, die körperliche Energie, emotionale Energie und mentale Energie umfassen. Hier sind ein paar interessante Fragen aus der Umfrage: „Ich habe das Gefühl, dass ich schnell denken kann“, „Ich fühle, dass ich körperliche Stärke habe“, „Ich fühle mich in der Lage, anderen Wärme zu zeigen“, „Ich fühle mich in der Lage, neue Ideen einzubringen“ oder „Ich fühle mich in der Lage, emotional in Mitarbeiter und Kunden zu investieren“.
Mit diesen Fragen gestaltet sich die Suche nach einer Aktivität ganz anders. Wie fühlst du dich, wenn du dich fragst: Bringen mich meine Aktivitäten dazu, dass „Ich fühle mich in der Lage, anderen Wärme zu zeigen“, „Ich fühle mich in der Lage, neue Ideen einzubringen“ oder „Ich fühle mich in der Lage, emotional in Mitarbeiter und Kunden zu investieren“?
Wenn ich mir diese Fragen anschaue, fragt mich gleich der Wissenschaftler in mir: „Bei einer Punkteskala von 0 bis 7, wobei 0 = trifft nicht zu und 7 = trifft voll zu, welchen Punkt würdest du diesen Punkten bezogen auf deine Aktivität geben?“
Ich schaue mir immer wieder diese Fragen an und mache mir bewusst, wie gut ich für meine Vitalität arbeite und wie gut ich daher für den Tag vorbereitet bin. Denn je höher die Punkte, desto mehr Energie habe ich im Tank und dadurch kann ich mehr über den Tag arbeiten.
Wenn ich z.B. für die Frage „Ich fühle mich in der Lage, anderen Wärme zu zeigen“ eine 7 vergebe, dann weiß ich, dass ich viel für meine emotionale Energie getan habe. Bin ich in der Lage, alle vier Fragen der Kategorie emotionale Energie mit 7 zu bewerten, dann habe ich viel emotionale Energie getankt und fühle mich kaum noch müde.
Mir ist mit diesen Fragen aufgefallen, wie wenig ich früher für meine emotionale Energie gemacht hatte, denn Fragen wie „Ich fühle mich in der Lage, emotional in Mitarbeiter und Kunden zu investieren“ oder „Ich fühle mich in der Lage, anderen Wärme zu zeigen“ habe ich mit einer 0 bewertet.
Dadurch habe ich festgestellt, dass bei einer Müdigkeit nicht nur darauf ankommt, dass man eine Aktivität nur ausführt, sondern die Aktivität sollte so sein, dass man die Fragen für die emotionale Energie mit mindestens 5 Punkten bewerten kann.
Was nützt es einem daher, wenn man sich jeden Tag zu einer Aktivität zwingen muss, nur um diszipliniert zu sein?
Eine Zeit lang hatte ich mich auch zu vielen Aktivitäten gezwungen. Zuerst konnte ich sie gut ausführen, doch durch den Zwang hatte ich irgendwann nicht mehr genug Energie, um weiterzumachen. Ich fühlte mich dann sehr müde und lustlos, aber mir fiel dies nicht auf. Ich wunderte mich, warum ich so müde war. Die Frage: „Ich fühle mich in der Lage, anderen Wärme zu zeigen“ verschaffte mir hierbei mehr Klarheit. Für mich traf dies nicht zu, ich gab dieser Frage eine 0 oder 1.
Zuerst dachte ich: „Ich bin halt so, ich bin lieber alleine“. Doch als ich bemerkte, wie gut es mir tat, mit starken und positiven Menschen zusammen zu sein, suchte ich mir Menschen, mit denen ich über Themen sprechen konnte, die uns im Leben vorwärts bringen.
Irgendwann war ich dann in der Lage, die Frage: „Ich fühle mich in der Lage, anderen Wärme zu zeigen“ mit einer 5 zu bewerten. Natürlich war ich noch nicht bei der 7, was also „trifft voll zu“ entspricht. Ich konnte aber deutlich erkennen, wie meine Müdigkeit weniger wurde, weil dadurch meine Vitalität und somit mein Wohlbefinden sich verbesserte. Dadurch hatte ich auch viel mehr Lebensqualität.
Heute sind die Fragen aus dem „Shirom Melamed Vigor Measure“ ein fester Bestandteil meines Lebens. Ich gehe immer wieder die Umfrage durch, um festzustellen, ob meine Aktivitäten mir helfen, dass ich genug Energie im Tank habe.
Ich finde, jeder, der sich vitaler fühlen möchte, sollte sich die Fragen mal anschauen, denn sie können große Veränderungen verursachen.