Ich kann nicht oder ich will nicht?

Falsche Sichtweise auf die eigenen Fähigkeiten

Ich liege noch im Bett und der Wecker hat mich um 4:45 Uhr geweckt. Ich habe es so geplant, um an meinem Schlaf zu arbeiten. Ich gehe um 9:15 Uhr schlafen und wache um 4:45 Uhr auf. Dadurch möchte ich einerseits meine Schlafqualität verbessern, um tagsüber mehr Energie zu haben. Andererseits möchte ich mehr Zeit für meine Ziele gewinnen, um intensiver an ihnen arbeiten zu können.

Ich kann das nicht

Ich konnte etwa 2 bis 3 Monate erfolgreich an meinem Schlaf- und Zielplan arbeiten. Ich stand immer um 4:45 Uhr mit dem Wecker auf und absolvierte 15 Minuten Morgensport, um aufzuwachen und meine Rituale durchzuführen. Danach arbeitete ich 90 Minuten an meinen persönlichen Zielen und machte um 6:30 Uhr eine 15-minütige Pause, um mich zu regenerieren.

Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Monaten an meinem Schlafplan arbeitete, fiel es mir trotzdem schwer, mich zu motivieren, da ich einen starken inneren Widerstand verspürte. Ich hörte eine Stimme in mir, die sagte: „Bleib liegen, du hast noch Zeit.“ Interessanterweise hatte ich in meinem Leben schon öfter ähnliche Situationen erlebt. Ich hatte Ziele definiert und versucht, diese täglich zu einem festen Zeitpunkt umzusetzen, aber es wollte einfach nicht klappen. Trotz meiner Bemühungen gab ich nach ein paar Monaten auf und kehrte zu meinen alten Gewohnheiten zurück, da die Veränderung wie das frühe Aufstehen mich zu viel Energie kostete. Ich dachte fälschlicherweise, dass ich solche Veränderungen nicht durchführen könne und hörte die Stimme in mir sagen: „Ich kann das nicht.“ Daher gab ich meine Ziele schnell auf. Kommt Dir das bekannt vor? Hast Du auch Ziele in Deinem Leben definiert, gut angefangen und dann irgendwann aufgegeben, weil Dir die Energie fehlte? Du fragst Dich, warum das so ist? Ich möchte Dir helfen und zeigen, wie Du mit mehr Energie besser an solchen Herausforderungen arbeiten kannst. Lass uns also gleich loslegen.

Innere Kämpfe führen zu Frustration und Scheitern

Um dieses Problem besser zu verstehen, möchte ich eine Geschichte erzählen, die mir mit meiner Tochter passiert ist. Meine Tochter und ich sitzen am Schreibtisch und lernen gemeinsam Mathe. Dann möchte meine Tochter mir etwas zeigen, was sie sehr interessant findet. Sie gibt mir einen Stapel Papier. Ich spüre mit meinen Händen, dass der Stapel aufgrund der vielen Papiere sehr dick ist. Meine Tochter fordert mich heraus, den ganzen Stapel zu zerreißen.

Bevor ich über eine Lösung nachdenken kann, fühle ich die Dicke des Stapels und höre mich sagen: „Das schaffe ich nicht.“ Dann sagt meine Tochter zu mir: „Papa, warum sagst du das? Du hast es noch nicht probiert.“ Ich spüre meinen inneren Widerstand und frage etwas genervt: „Wie soll ich das auf einmal schaffen?“ Daraufhin antwortet meine Tochter: „Ich habe nicht gesagt auf einmal, sondern nur zerreißen.“ Ich schaue etwas verpeilt und frage: „Was meinst du mit zerreißen?“

Dann nimmt meine Tochter ein Papier und zerreißt es zuerst. Ich höre sehr schön, wie das Papier von meiner Tochter zerrissen wird. Dann nimmt sie das zweite und zerreißt es auch. „Verstehst du es jetzt?“, fragt mich meine Tochter.

„Ja, jetzt verstehe ich es“, antworte ich. Ich bin sehr erstaunt, dass meine Tochter mir ein Prinzip beigebracht hat, das ich eigentlich öfter in meinem Leben anwende. Was mich bei dieser Lektion aufmerksam gemacht hat, ist meine schnelle Reaktion, dass ich es nicht schaffen kann.

Wie oft passiert es im Leben, dass man auf eine scheinbar unlösbare Aufgabe zu schnell reagiert und sagt: „Das kann ich nicht.“ Dabei muss man oft nur etwas mentale Energie investieren, um eine Lösung zu finden.

Genau dasselbe war es auch bei meinem Schlaf. Ich versuchte, mit meinem Ansatz gleich einen ganzen Stapel Papier auf einmal zu zerreißen. Ich hatte aber damals nach 2 bis 3 Monaten festgestellt, dass ich nicht in der Lage war, den Stapel auf einmal zu zerreißen. Ich machte damals eine falsche Annahme: Ich kann nicht so früh aufstehen oder ich schaffe es nicht, so früh aufzustehen.

Wenn ich heute bei mir diese Aussage bemerke wie „ich kann nicht“, sage ich zu mir: „Nein, das stimmt nicht, ich kann es.“ Im Moment will ich nicht, weil ich keine Lösung für das Problem habe. Dies ist für mich eine wichtige Erkenntnis. Also zu sagen „Ich will nicht“ anstelle von „Ich kann nicht“ ist besser, da man für sich selbst eine Möglichkeit schafft, das Problem zu lösen. Bei mir war es also: Ich will nicht so früh aufstehen. Deshalb wollte ich dieses Problem lösen, warum ich nicht so früh aufstehen wollte.

Gut bei dem Problem mit dem Stapel Papier war es einfach da meine Tochter mir die Lösung gezeigt hatte. Aber im Leben steht eine Lösung nicht immer parat. Warum hat es bei mir mit dem Schlaf nicht gleich geklappt? Schauen wir uns einmal an was die Wissenschaft so dazu sagt. Zuerst einmal Karl Anders Ericsson. Er sagt, wenn man sich eine Fähigkeit zu einer großartigen Leistung entwickeln möchte, dann sollte die Herausforderung nicht viel größer als die eigenen Fähigkeiten sein. Das Lernen sollte dabei bewusst laufen und es sollten Feedbacks vorhanden sein um die Entwicklung messbar zu machen.

die Herausforderung [sollte] nicht viel höher als die eigene Fähigkeit sein In seinem Buch „Flow“ gibt Michal Csikszentmihaly an, dass die Herausforderung nicht viel höher als die eigene Fähigkeit sein sollte damit eine positive Entwicklung der Fähigkeit ermöglicht wird. Ist die Herausforderung viel kleiner als die eigene Fähigkeit, dann tritt eine Langeweile ein. Ist die Herausforderung viel größer als die eigene Fähigkeit, so tritt eine Überforderung oder Frustration ein. In beiden Fällen lässt man dann die Herausforderung liegen. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Herausforderung ist der Feedback. Dies ermöglicht die Entwicklung messbar zu machen. Durch positive Feedback wird man motiviert weiterzumachen. Auch möchte ich hier das Modell der Willenskraft von Roy Baumeister erwähnen.

In diesem Modell wird erklärt, dass die Willenskraft begrenzt ist. Führt man innere Kämpfe mit sich durch, indem man überlegt, soll ich das tun oder ich kann das nicht sich aber dazu zwingt, dann verbraucht man Willenskraft oder Energie. Dies führt irgendwann dazu, dass man auf einmal viel Energie verbraucht und dadurch viel schneller aufgibt. Warum hat es bei mir mit dem früh aufstehen also nicht geklappt? Früh aufzustehen war für mich eine sehr große Herausforderung. Ich war einer der immer bis 7 Uhr schlief. Gleich am Anfang mehr als 2 Stunden früher aufzustehen war also ein Versuch einen großen Stapel an Papier auf einmal zu zerreißen.

Ich hatte durch die große Herausforderung keine positive Entwicklung beobachten können wodurch ich noch mehr frustriert wurde. Auch war der innere Kampf dadurch unglaublich groß. Am Anfang war zwar die Motivation groß doch weil ich durch die große Herausforderung innere Kämpfe mit dem Aufstehen hatte, zerrte dies sehr an meiner Willenskraft. Das zerren an meiner Willenskraft machte dann meine anfängliche Motivation zunichte. Das alles führte irgendwann dazu, dass ich im Bett liegen blieb wodurch dann meine Ziele liegenblieben. Ich wollte zwar im Leben vorwärts kommen. Doch nahm ich wie bereits am Anfang erwähnt an, das ich das Aufstehen um 4:45 Uhr nicht schaffen kann

Keine großen inneren Widerstände spüren

Wenn wir im Leben etwas motiviert beginnen und es irgendwann aufgeben, dann bedeutet das nicht unbedingt, dass wir es nicht können. Wie ich selbst bei meinem Schlaf erlebt habe, scheitert es oft daran, dass wir unsere Ressourcen oder Energie nicht richtig einsetzen oder uns überfordern. Dadurch erhalten wir kein positives Feedback und können keine Verbesserung bei uns selbst beobachten, was sehr frustrierend sein kann. Dies kostet uns Willenskraft und Energie, bis wir irgendwann keine Energie mehr haben und nicht weitermachen können.

Aus diesen Erfahrungen habe ich beim Thema Schlaf anders angefangen zu arbeiten. Ich bin um 22 Uhr ins Bett gegangen und habe um 6:30 Uhr morgens aufgestanden. Dann habe ich 15 Minuten lang Sport gemacht. Das Feedback hierbei war, wie gut ich aufgestanden bin und wie gut ich den Sport am Morgen gemacht habe. Ich konnte beobachten, dass es angenehmer war, um 6:30 Uhr aufzustehen. Da ich nur 15 Minuten Sport gemacht habe, gab es auch keine großen Widerstände.

Natürlich gab es auch Tage, an denen ich nicht aufstehen wollte. Aber diese Herausforderungen konnte ich besser bewältigen. Nach einem halben Jahr lief alles flüssig. Ich konnte mühelos um 6:30 Uhr aufstehen. Dann reduzierte ich die Aufwachphase auf 6:00 Uhr und machte so weiter.

Es ist sehr wichtig, dass ich keine großen Widerstände spüre oder stark mit mir selbst kämpfen muss. Ich habe gelernt, dass ich zum Scheitern verurteilt bin, wenn ich stark mit mir selbst kämpfen muss. Deshalb versuche ich nicht, immer mehr gegen mich selbst zu kämpfen, sondern die Herausforderung an meine aktuellen Fähigkeiten anzupassen.

Aktuell gehe ich um 22:00 Uhr ins Bett und stehe um 5:00 Uhr auf. Heute merke ich, dass mein Körper sich nicht mehr so sehr gegen das Aufstehen wehrt wie am Anfang. Das ist ein positives Feedback, das mich motiviert, weiterzumachen.

Ich will nicht, statt ich kann nicht

Es ist natürlich schön zu hören oder zu lesen, dass man etwas Besonderes ist. Doch was mich an dieser Aussage stört, ist dass man keine konkrete Anleitung erhält, wie man seine Fähigkeiten zu etwas Besonderem entwickeln kann. Ich hoffe, dass ich durch diesen Podcast dazu beitragen konnte.

Egal, was man im Leben erreichen möchte, man sollte niemals gegen sich selbst kämpfen, denn solche Überwindungen kosten viel Energie, da man sich dazu zwingen muss. Es ist besser, den Kampf so zu reduzieren, dass die Herausforderung nicht wesentlich größer ist als die eigene Fähigkeit. Nur dann ist sichergestellt, dass man seine Fähigkeiten positiv entwickeln kann. Wenn man im Leben vorankommen möchte, sollte man dafür sorgen, dass die Herausforderung an die eigene Fähigkeit angepasst wird, sodass man seine Fähigkeit positiv entwickeln kann. Kommt man nicht voran, sollte man nicht sagen „Ich kann nicht“, sondern „Ich will nicht“. Versuche herauszufinden, warum du nicht willst. Wenn du weißt, warum du nicht willst, reduziere die Herausforderung entsprechend. Auf diese Weise vergrößert man die positive Entwicklung.

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