Gewohnheiten leicht gemacht: Wie kleine Schritte zu großen Erfolgen führen können

Gut motiviert, doch alles bleibt irgendwie liegen

Vor einiger Zeit war ich sehr motiviert, mich einer sportlichen Herausforderung zu stellen: Jeden Tag Liegestützen zu machen. Inspiriert hatte mich ein Buch über einen Navy Seal, der täglich unglaubliche 1000 Liegestützen pro Tag absolvierte – eine wahre Meisterleistung. Im selben Buch hieß es, dass 300 Liegestützen pro Tag eine gute Leistung seien und 600 sogar eine außergewöhnliche.

Motiviert startete ich mit dem Ziel, jeden Tag 300 Liegestützen zu schaffen. Am ersten Tag brachte ich sie mit viel Mühe und Willenskraft hinter mich. Doch schon am zweiten Tag fiel es mir deutlich schwerer, diese Anforderung zu bewältigen. Am dritten Tag meldete sich der innere Schweinehund. Meine Motivation sank rapide, während der Schweinehund mich packte und flüsterte: „Warum anstrengen, wenn du dich auch ausruhen kannst?“

Ich hörte auf diese Stimme, ließ mich niederdrücken und blieb unten. Die 300 Liegestützen schienen plötzlich unerreichbar. Nach nur drei Tagen hatte ich keine Lust mehr weiterzumachen. Die Zweifel und Ausreden hatten die Oberhand gewonnen und mein Vorhaben, mich durch tägliche Liegestützen zu stärken, war gescheitert.

Ist Motivation der Schlüssel zum Erfolg?

So ging es mir oft im Leben: Ich war voller Motivation, meine Ziele zu verfolgen, doch schon nach kurzer Zeit ließen meine Begeisterung und der Antrieb nach. Die inneren Zweifel wurden so laut, dass sie meine Motivation regelrecht erstickten. Heute ist das anders. Ich habe einen Weg gefunden wie ich meine Ziele konsequenter und nachhaltiger erreichen kann. Das bedeutet nicht, dass ich keine Hindernisse mehr habe. Als Blinder gibt es immer wieder Momente, in denen mein Selbstbewusstsein schwankt und ich vieles einfach liegen lasse. Doch diese Methode hilft mir, mich aus solchen Tiefs wieder herauszuziehen auch wenn der Schweinehund immer wieder zupackt.

Der Ansatz basiert auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage, inspiriert durch die Verhaltensforschung. Es gibt eine Art „magische Formel,“ die dabei hilft, jedes gewünschte Verhalten in den Alltag zu integrieren und die eigenen Ziele sicher zu erreichen. Ähnlich wie ein Schiff, welches sicher in den Hafen gesteuert wird. Schritt für Schritt möchte ich dir diese Formel erklären und meine eigenen Erfahrungen einfließen lassen, damit sie für dich besser nachvollziehbar und umsetzbar wird.

Verhalten ist gleich Motivation mal Machbarkeit mal Auslöser

Es ist 5 Uhr morgens. Ich sitze auf dem Sofa und höre mir mein Hörbuch an. Diese Gewohnheit war anfangs alles andere als einfach zu etablieren. Zuallererst ist es sehr früh und dann gibt es da diese inneren Stimmen, die mir zuflüstern: „Geh zurück ins Bett und schlafe noch ein bisschen.“ Sofort meldet sich auch das vertraute Gefühl von Trägheit. Der Gedanke, einfach ein YouTube-Video anzumachen und dabei einzuschlafen, wirkt verlockend. Mein ganzer Körper sträubt sich gegen das Zuhören.

Das Hörbuch, das ich gerade höre, heißt „Tiny Habits“ von BJ Fogg. Gerade als ich fast einzuschlafen drohte, hörte ich die Formel zur Automatisierung von Verhalten: „Verhalten ist gleich Motivation mal Machbarkeit mal Auslöser,“ oder kurz: V = MMA. Die Worte fesselten mich, also spulte ich 30 Sekunden zurück, um sie mir noch einmal anzuhören. Und dann wieder 30 Sekunden zurück und noch einmal. Ich habe keine Ahnung wie oft ich diese Formel abspielte – aber ich wollte unbedingt, dass sie sich unauslöschlich in mein Gedächtnis einbrennt: V = MMA.

Ich fragte mich, warum es mir so schwerfiel, morgens mein Hörbuch anzuhören. Schließlich war ich doch immer um fünf Uhr wach. Und warum scheiterten die 300 Liegestützen, obwohl ich am Anfang so motiviert war? Als Blinder konnte ich mir meine Gedanken nicht einfach notieren oder eine Sprachnotiz aufnehmen, ohne meine Familie in der früh zu wecken. Also wiederholte ich die Formel still in meinem Kopf: „Verhalten ist gleich Motivation mal Machbarkeit mal Auslöser.“ Dabei dachte ich, ich hätte die Bedeutung von Motivation verstanden. Doch ich musste feststellen, dass ich nicht wirklich verstanden hatte, was genau Motivation bedeutet. Viel schlimmer war es mit Machbarkeit und Auslöser.

Irgendwie spielt die Machbarkeit eine wichtige Rolle im Bezug zur Motivation. Wenn ich die Machbarkeit nicht richtig umsetze, dann sinkt automatisch meine Motivation. Bei den Liegestützen war es schlichtweg unrealistisch, gleich zu Beginn 300 Stück zu schaffen. Mein Körper wehrte sich dagegen, es war schlichtweg zu anstrengend. Also musste ich die Anzahl reduzieren.

Ich stellte fest, dass es einen großen Unterschied macht, wie hoch die anfängliche Herausforderung ist (Machbarkeit), um das Verhalten zu automatisieren. Wenn ich zwei Monate lang jeden Tag zur gleichen Zeit nur 10 Liegestützen mache, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass sich diese Gewohnheit verankert. Versuche ich hingegen, gleich mit 100 Liegestützen pro Tag zu starten, ist die Erfolgsquote deutlich geringer. Es fällt mir einfach schwer, und dadurch sinkt auch die Motivation. Deshalb ist es entscheidend, die Machbarkeit so festzulegen, dass sie die Motivation nicht untergräbt.

Die Machbarkeit hängt zudem von den äußeren Umständen ab. Würde ich meine Hörbücher im Bett anhören, würde ich wahrscheinlich schnell wieder einschlafen. Bin ich hingegen auf dem Sofa und friere, zieht es mich genauso schnell zurück ins warme Bett. Die Umgebung, die Belastung und der Zeitpunkt beeinflussen die Machbarkeit entscheidend.

Wenn die Belastung hoch ist und ich meine Liegestützen zu einer ungünstigen Zeit ausführe, sinkt meine Motivation umso schneller. Deshalb muss ich ständig an der „Schraube Machbarkeit“ drehen, um das Verhalten so leicht wie möglich zu gestalten. Ich habe für mich erkannt, dass der Faktor Belastung eine entscheidende Rolle spielt. Es ist viel schwieriger, 50 Liegestützen am Stück zu machen, als fünfmal 10 Liegestützen mit jeweils 10 Sekunden Pause. In beiden Fällen absolviere ich 50 Wiederholungen, aber bei der ersten Variante lässt die Motivation viel schneller nach.

Allerdings reicht es nicht, die Machbarkeit ohne große Belastung festzulegen, um eine Gewohnheit zu automatisieren. Denn es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor: den Auslöser. Ein Auslöser ist ein Ereignis, das das Verhalten in Gang setzt. Er motiviert mich dazu, morgens mein Hörbuch zu hören oder 300 Liegestützen zu machen. Der Auslöser kann alles sein, was das gewünschte Verhalten initiiert – ein bestimmter Moment, eine tägliche Routine oder eine äußere Situation.

Für meine Liegestützen habe ich ein Ritual entwickelt: Ich stelle mich auf meinen Teppich, der etwa die Größe einer Yogamatte hat – 0,5 Meter breit und 1,5 Meter lang. Langsam taste ich den Teppich mit meinen Füßen ab, um ein räumliches Gefühl zu bekommen und mich im Raum zu orientieren. Dieses Ritual ist mein Auslöser, um die Liegestützen zu beginnen.

Für das Hören des Hörbuches habe ich ebenfalls einen festen Ablauf. Ich stehe auf, gehe in die Küche und trinke mein vorbereitetes Wasser mit Vitaminen, das ich mir am Vorabend bereitgestellt habe. Da das Trinken für mich wichtig ist, stehe ich immer auf, was den Beginn meiner Morgenroutine markiert. Anschließend setze ich mich für 30 Minuten auf das Sofa und höre mir mein Hörbuch an.

Ich habe außerdem gelernt, dass es nicht nur darauf ankommt, die körperliche Belastung machbar zu gestalten, sondern auch die richtigen Gedanken und Gefühle zuzulassen. Wenn ich meine Liegestützen zu schnell ausführe, entsteht ein innerer Widerstand, der das Training deutlich erschwert. Stattdessen konzentriere ich mich zuerst auf meine Gedanken und Gefühle, um den Ablauf bewusst und in Ruhe anzugehen.

Über die Jahre habe ich festgestellt, dass Machbarkeit auch auf einer mentalen Ebene stattfinden muss. Selbst wenn ich die Belastung so weit wie möglich reduziere, wird es mir schwerfallen, eine Gewohnheit zu etablieren, wenn ich nicht auf meine innere Haltung achte.

BJ Fogg spricht in seinem Buch „Tiny Habits“ auch über einen wichtigen Punkt: Sich selbst zu feiern. Viele von uns neigen dazu, sich selbst zu kritisieren, statt die eigenen Erfolge zu feiern. Wann hast du dich das letzte Mal für deine Leistung gefeiert? Stell dir vor, du hast eine Aufgabe gut gemeistert – hast du dir dafür selbst die Anerkennung gegeben? Das Feiern kann in Gedanken und Gefühlen geschehen und hat einen positiven Einfluss auf die Motivation.

Wenn ich meine 300 Liegestützen schaffe, spiele ich meine Lieblingsmusik ab, hebe die Fäuste in die Luft und löse bewusst positive Gedanken und Gefühle aus. Auch wenn das vielleicht ein wenig ungewöhnlich klingt – ich feiere mich gerne. Als Blinder empfinde ich es als eine große Leistung, 300 Liegestützen zu machen. Früher war das kaum vorstellbar für mich, doch heute gelingt es mir viel leichter. Das zeigt mir, dass ich etwas Großes erreicht habe und das ist Grund genug mich selbst zu feiern. Wenn du deine eigenen Gewohnheiten festigen möchtest, solltest auch du dich feiern – das verbessert deine Motivation und macht es leichter, dranzubleiben.

Die „Tiny Habits“-Formel ist für mich unverzichtbar, um meine Ziele zu erreichen. Ich wende sie auf alle Verhaltensweisen an, die mich meinen Zielen näherbringen – auch beim Schreiben dieses Textes. Dafür habe ich eine feste Startzeit festgelegt. Manchmal kann ich nur fünf Minuten schreiben, manchmal schaffe ich 90 Minuten. Das bedeutet, dass es unterschiedlich lange dauert, bis der Text fertig ist und veröffentlicht werden kann. Aber ich bleibe dran, weil ich mir vorgenommen habe, jeden Tag mindestens fünf Minuten zu schreiben.

Nobody ist perfekt

Vielleicht klingt es jetzt so, als würde ich jeden Tag aufstehen und meine To-Do-Liste mühelos abarbeiten. Du fragst dich vielleicht: Wie macht er das? Ist die Formel „Verhalten ist gleich Motivation mal Machbarkeit mal Auslöser“ wirklich so kraftvoll? Ja, sie ist tatsächlich mächtig – aber nur, wenn du daran glaubst. Der Schlüssel liegt darin, klein anzufangen und die Belastung so gering wie möglich zu halten, bis sich eine Gewohnheit gebildet hat. Das vorrangige Ziel sollte immer sein, zuerst die Gewohnheit zu etablieren.

Aber niemand ist perfekt. Auch bei mir gibt es Tage, an denen ich meine 300 Liegestützen nicht schaffe. Doch ich bleibe dran. Wenn ich merke, dass ich zum Beispiel schlecht geschlafen habe, dann mache ich meine Mindestanzahl von 10 Liegestützen – diese Regel halte ich immer ein. Überraschenderweise schaffe ich manchmal sogar mehr als 10, selbst wenn der innere Schweinehund stark zuschlägt.

Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass alte negative Gedanken und Gefühle, die sich über viele Jahre als negative Gewohnheiten gefestigt haben, die größten Hindernisse sein können, wenn man eine neue Gewohnheit etablieren möchte. Deshalb ist es ratsam, auch nach innen zu schauen und zu beobachten, ob solche inneren Blockaden existieren. Eine Gewohnheit ist wie ein Samenkorn, das nur in einer gepflegten Umgebung wachsen kann. Der Boden muss zuerst genährt und vorbereitet werden, damit daraus etwas Großes entstehen kann.

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