Faule Ausreden oder Ziele durch Selbstregulation erreichen

Faul sein ist besser als gesund zu leben

Wer kennt das nicht? Man hat gute Vorsätze, möchte sie motiviert umsetzen, doch nach einer gewissen Zeit kommen die schlechten Gewohnheiten zurück und aus ist es mit den guten Vorsätzen. Wie oft habe ich versucht, mich von meinem Rettungsring zu befreien. Eigentlich ist ein Rettungsring eine gute Sache, er kann Leben retten. Wenn man meinen Rettungsring aus Sicht meiner Gesundheit betrachtet, dann geht es darum, mein Leben zu retten. 

Denn bei meinem Rettungsring handelt es sich um ein Fettpolster, das sich über Jahre an meinem Bauch angesetzt hatte. Wie oft habe ich schon versucht, mich von diesem Rettungsring zu befreien. Es wollte einfach nicht klappen. Es ist doch sehr seltsam, dass man anstatt gesund zu leben, faul herumliegt, weil es so viele faule Ausreden gibt.“

Ist Selbstdisziplin wirklich zielführend?

Um meinen Rettungsring loszuwerden, habe ich es mit verschiedenen Diäten versucht. Anfangs war ich sehr motiviert und konnte mich gut beherrschen. Doch irgendwann, als meine Kinder eine leckere Pizza zum Essen bekamen, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Aus einem Stück Pizza wurden viele. Als ich merkte, dass Diäten für mich nicht funktionieren, weil es mir schwer fiel, einer gut riechenden Pizza zu widerstehen, beschloss ich, mich für meine Fehler zu bestrafen und mehr Selbstdisziplin zu üben.

Doch Sozialpsychologe Roy Baumeister hat gezeigt, dass Zwang oder Selbstdisziplin zur Erschöpfung der Willenskraft führen können. Willenskraft wird benötigt, um beispielsweise der Versuchung zu widerstehen. Das bedeutet, wenn ich mich zum Diäthalten zwingen muss, weil die Pizza so lecker riecht, verbrauche ich Willenskraft. Irgendwann ist die Willenskraft aufgebraucht und ich habe nicht mehr genügend Energie, um der leckeren Pizza zu widerstehen.

In diesem Artikel möchte ich dieses Problem genauer betrachten. Liegt das Scheitern allein an den faulen Ausreden oder gibt es eine Möglichkeit, die Selbstregulation zu verbessern und so sicherer ans Ziel zu gelangen?

Wie wichtig ist mir ein Ziel?

Heutzutage weiß man, dass das Scheitern einer Diät nicht immer auf eine schwache Selbstdisziplin zurückzuführen ist. Wenn zum Beispiel die Vielfalt der guten Bakterien im Darm nicht gegeben ist, kann dies zu Übergewicht, Depressionen oder Angstzuständen führen, wie verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben. Das sind keine guten Voraussetzungen, um eine Diät erfolgreich abzuschließen. In diesem Artikel möchte ich jedoch nicht auf das Mikrobiom eingehen. Nehmen wir an, dass eine gute Darmflora gegeben ist und wir unser Verhalten aus emotionaler Sicht besser verstehen wollen. Die interessante Frage ist also, wie man feststellen kann, ob man in der Lage ist, ein Ziel sicher zu erreichen? Eines meiner wichtigsten Ziele ist es, früh aufzustehen, damit ich meine wichtigen Aufgaben am Morgen gleich erledigen kann.

Am Anfang fiel mir das nicht so leicht, denn ich wollte lieber unter meiner warmen und kuscheligen Decke bleiben. Meine Decke belohnte mein Gehirn reichlich, wodurch es mir schwer fiel, aufzustehen, da die Umgebung viel kälter war als unter meiner Decke. Meine Gefühle bestimmten meine Situation. Ich hatte auch Gedanken wie Wärme, Gemütlichkeit oder kalte Umgebung. Wenn ich mich immer wieder dazu zwinge, aufzustehen, verbrauche ich jedes Mal Willenskraft, was mein Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Eine andere Herangehensweise, um Ziele besser zu erreichen, wird als „Selbstregulation“ bezeichnet.

Bei der Selbstregulation kann man es eher mit einer Demokratie vergleichen. Man versteht seine eigenen Gefühle und Gedanken. Also, warum hat man diese Gefühle und Gedanken und wie kann man sie so einsetzen, dass man sicher zum Ziel gelangen kann? Im Jahr 2000 wurde ein Fragebogen von Kruglanski, Thompson, Higgins, Atash, Pierro, Shah & Spiegel zur Bestimmung der Selbstregulation konstruiert. In diesem Fragebogen werden zwei Dimensionen der Selbstregulation bestimmt. Die erste Dimension wird Locomotion genannt und die zweite Dimension Assessment.

Im Bereich Locomotion wird festgestellt, wie gut man ein Ziel in die Tat umsetzt, also Fragen wie: „Wenn ich beschlossen habe, etwas zu tun, möchte ich sofort beginnen.“ Im Bereich Assessment wird festgestellt, wie gut man Ressourcen und Informationen sucht und bereitstellt, um ein Ziel zu erreichen. Also Fragen wie: „Ich verbringe viel Zeit mit der Bestandsaufnahme meiner positiven und negativen Merkmale.“ Wenn in der Dimension Locomotion eine hohe Ausprägung vorhanden ist, zeigt man eine höhere Tendenz zur Aktivität. Wenn jedoch nur eine hohe Ausprägung in Locomotion vorhanden ist und nicht in Assessment, bedeutet dies blinder Aktionismus ohne vorherige Analyse. Ähnlich ist es bei Assessment, wenn es hoch ausgeprägt ist, ohne Locomotion. Dann bedeutet Assessment reines Analysieren ohne Umsetzung in die Handlung.

Möchte man komplexe Aufgaben erfolgreich bewältigen, müssen sowohl Locomotion als auch Assessment gut ausgeprägt sein. Locomotion und Assessment sind voneinander unabhängige Dimensionen. Eine hohe Ausprägung in Locomotion bedeutet nicht automatisch eine hohe Ausprägung in Assessment und umgekehrt. Dennoch sind beide Dimensionen notwendig, um eine gute Selbstregulation zu gewährleisten. Personen mit einer hohen Ausprägung in Locomotion sind in der Regel handlungs- und leistungsorientiert, selbstbewusst, extravertiert sowie gewissenhaft. Personen mit einem hohen Wert in Assessment beschäftigen sich intensiv mit der Evaluierung ihrer Ziele, Handlungsalternativen und möglichen Ergebnissen.

Die Informationen zum Locomotion-Assessment-Fragebogen stammen aus dem Artikel „Erfassung von Dimensionen der Selbstregulation. Der Locomotion-Assessment-Fragebogen (L-A-F)“, welcher an der TU Chemnitz untersucht wurde.

Sich selbst durch Locomotion und Assesment besser verstehen

Um sich von einem Rettungsring zu befreien, ist es nicht ausreichend, die Diät nur mit Druck und Zwang durchzuführen. Wenn man ein Ziel hat, in meinem Fall „sich von einem Rettungsring zu befreien“, muss die Diät auch richtig vorbereitet werden. Zuerst sollte man klären, ob man über die notwendigen Ressourcen und Informationen (Assessment) für die Diät verfügt. Denn durch die Wissenschaft weiß man heute, dass nicht immer die Selbstdisziplin schuld daran ist, wenn eine Diät scheitert. Es kann auch sein, dass der Körper ein Hungergefühl auslöst, wenn die notwendigen Vitamine und Mineralien nicht ausreichend vorhanden sind. Dann ist es auch sehr wichtig zu klären, ob man die notwendige Energie hat, die Diät in die Tat (Locomotion) umzusetzen. Es macht keinen Sinn, eine Diät zu machen, wenn das Leben schon voll mit Ärger und Stress überfüllt ist und die Diät zusätzlich dem Körper Energie kostet.

Um besser klären zu können, wie man innerlich steht, umso besser eine Übersicht zu bekommen, ob man ein Ziel erreichen kann und keine faulen Ausreden parat hat, möchte ich nun mehr auf die Fragen im Locomotion-Assessment-Fragebogen eingehen. Ich betrachte die Fragen in Bezug auf meine Situation: „Einen Rettungsring loszuwerden“. Natürlich kann man diese Fragen auch auf die eigenen Ziele anpassen.

Um den Rahmen hier nicht zu sprengen, werde ich nur auf ein paar Fragen aus dem Fragebogen eingehen. Ich denke, diese Fragen sind hilfreich, um den Fokus nach innen zu richten und die inneren Zustände zu verstehen und zu ändern. Aber wenn du mehr Interesse an diesem Fragebogen hast, dann gib mir Bescheid und ich kann dir den kompletten Fragebogen zuschicken.

Erste Frage: „Ich setze mich gern für etwas ein, selbst wenn das zusätzliche Mühe mit sich bringt“. Wie ist es bei dir? Machst du für dein Ziel nur das Notwendigste oder bist du bereits bereit, mehr zu tun als notwendig? In meinem Fall bedeutet dies, ob ich nur einen Diätplan ausführen möchte oder bereit bin, mich intensiv mit meiner Gesundheit zu beschäftigen. Dies bedeutet: mich sportlich zu bewegen, Informationen darüber einzuholen, welche Lebensmittel ich besser vertrage und welche meine Ernährung positiv unterstützen und sogar einen Arzt zu kontaktieren, um meine Blutwerte besser zu überwachen. Wenn man nicht bereit ist, mehr zu tun als notwendig, wird man gerade noch das Ziel erreichen, aber die persönliche Entwicklung wird dabei nicht erfolgreich sein.

Frage 2: „Wenn ich ein Ziel fast erreicht habe, versetzt mich das in Erregung“. Welche Bedeutung hat dein Ziel für dich? Machst du es, weil du es machen musst, weil die Hose nicht mehr passt, oder weil dein Ziel für dich einen Sinn hat? Spürst du eine Bedeutung oder Sinn in deinem Ziel, dann wirst du dabei immer eine Erregung in dir fühlen, weiterzumachen.

Frage 3: „Es macht mir mehr Spaß, aktiv zu handeln als nur zuzuschauen und zu beobachten.“ Diese Frage ist für mich besonders, denn sie zeigt, ob man spontan ist und mit Freude in die Aktion tritt oder ob man erst andere machen lässt und selbst beobachtet, wie sie zum Ziel gelangen. Für mich fasst dieser Satz das sehr gut zusammen: „Just do it, or lose it.“ Ich mache meine Diät und sammle dabei Erfahrungen, wodurch ich mich persönlich weiterentwickle. Es bringt nichts, stundenlang Videos über Diäten anderer anzuschauen, man muss auch bereit sein, diese als Handlungen mit Freude umzusetzen.

Frage 4: „Wenn ich beschlossen habe, etwas zu tun, kann ich kaum erwarten, damit anzufangen.“ Auch dies verdeutlicht den Sinn und die Bedeutung des Ziels. Man ist gleich bereit, mit der Arbeit zu beginnen und schiebt es nicht ganz nach hinten. Aber auch das Selbstvertrauen ist hier wichtig! Das Vertrauen in die persönliche Entscheidung motiviert und man ist bereit, mehr Energie für das Ziel zu investieren. Bei mir klingt das dann so: „Ich freue mich, dass meine Entscheidung, mich besser zu ernähren, richtig war, um noch mehr für meine Gesundheit zu tun.“

Frage 5: „Ich vergleiche mich oft mit anderen.“ Möchte ich mich durch den Vergleich mit anderen entwickeln oder bin ich der Meinung, dass ich immer das Richtige tue? Dieser Vergleich hilft mir, mich selbst zu analysieren und zu sehen, welche Handlungen noch für mich möglich sind. Dabei ist es wichtig, dass man unterschiedliche Möglichkeiten betrachtet, um das Ziel zu erreichen.

Ich vergleiche mich mit anderen Menschen, die viel für ihre Gesundheit tun. Wenn ich dann jemanden sehe, der sich kohlenhydratfrei ernährt, wird mir bewusst, welche inneren Stärken dieser Mensch im Bezug auf seine Gesundheit hat.Dabei sollte man nicht den Fehler machen, sich selbst zu frustrieren, sondern sich bewusst machen, welche Möglichkeiten noch offen sind.

Die Fragen des Fragebogens können mit einer Note von 1 bis 6 bewertet werden, wobei 1 „stimmt überhaupt nicht“ und 6 „stimmt voll zu“ bedeutet. Du kannst nun deine Selbstanalyse durchführen und sehen, wo du im Moment stehst. Dabei ist es wichtig, dass du diese Fragen auf deine Handlungen der letzten 4 bis 6 Wochen beziehst. Ich wünsche dir dabei viel Spaß.

Ach ja, habe ich mich nun vom Rettungsring befreit? Nicht ganz. Ich trage immer noch einen leichten Rettungsring mit mir herum. Man muss ja auf jede Situation vorbereitet sein, denn es kann sein, dass man im Leben immer wieder vom Bord springen muss. Da ist es schon sehr nützlich, etwas Polster bei sich zu tragen. Immerhin habe ich es geschafft, von 108 Kilogramm auf 82 Kilogramm herunterzukommen. Dieses Gewicht halte ich seit über 10 Jahren. Natürlich ist 82 Kilogramm nicht mein Idealgewicht, aber ich fühle mich wesentlich besser als vor 10 Jahren. Da mir meine Gesundheit sehr wichtig ist, bemühe ich mich stets um Verbesserungen. Meine Fortschritte erkenne ich dabei durch Selbstanalysen wie diese. Auf diese Weise kann ich sicherstellen, ob ich immer noch genügend faule Ausreden parat habe oder ob ich meine Ziele erfolgreich umsetze. 

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