Abgelenkt oder gut fokussiert auf das Wesentliche im Leben?

Ein vorbildlicher Fokus?

Ich sitze an meinem Schreibtisch und warte auf meine Tochter, um gemeinsam Englisch zu lernen. Als sie zu mir kommt, merke ich an ihrer Stimme, dass sie gedanklich ganz woanders ist und daher nicht gerade motiviert ist. Diese Einstellung löst Ärger in mir aus. Wie ein Vulkan brodelt es in mir und der Ärger wird so stark, dass meine Handlungen unkontrolliert ablaufen. Dadurch verhalte ich mich nicht gerade wie ein vorbildlicher Papa.

Ich mache ihr Vorwürfe, dass sie nicht die richtige Einstellung mitbringt und spreche leider etwas zu laut. Ich sage ihr, dass sie mit dieser Konzentration oder Fokus nicht lernen kann und an ihrem Fokus oder Konzentration arbeiten muss, damit das Lernen ihr leichter fällt. So werfe ich ihr vor, dass sie ein falsches Bild vom Lernen hat und dies verbessern muss. Die Situation eskaliert und sie steht verärgert auf. Sie macht mir ebenfalls Vorwürfe, dass ich kein vorbildlicher Papa bin und ebenfalls keine Konzentration habe und nicht fokussiert mit ihr Englisch lernen kann. Ja, da hatte meine Tochter mal wieder recht. 

Eine besondere Fähigkeit geht verloren

Nach einer Weile hatte ich mich wieder beruhigt und glücklicherweise hatte sich auch meine Tochter beruhigt. Ich versuchte erneut, ein Gespräch mit ihr zu führen, aber dieses Mal nicht mit dem Ziel, ihr zu erklären, wie wichtig es ist, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Stattdessen wollte ich ihr Verhalten verstehen, um das eigentliche Problem zu erkennen und ihr besser helfen zu können. Mit dieser Sichtweise konnte ich mich besser auf das Wesentliche fokussieren.

Die Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe oder ein Ziel zu konzentrieren, ist besonders wertvoll. Leider geht sie in der heutigen Zeit immer mehr verloren. In diesem Artikel möchte ich zeigen, was genau dazu führt, dass der Fokus immer mehr verloren geht, und warum diese Fähigkeit so wichtig ist, um im Leben voranzukommen.

Was hat einen negativen Einfluss auf den Fokus?

Warum geht der Fokus in der heutigen Zeit immer mehr verloren? Sind vielleicht elektronische Geräte wie Smartphones oder Tablets daran schuld? Viele Wissenschaftler untersuchen diese Frage. Um sie beantworten zu können, habe ich die Untersuchung „EU Kids Online“ studiert, die in 19 europäischen Ländern im Jahr 2010 und erneut im Jahr 2020 durchgeführt wurde. Dabei wurden Kinder im Alter zwischen 9 und 16 Jahren untersucht. Die Untersuchung beobachtete, wie Kinder Zugang zum Internet haben, wie lange sie es nutzen und welchen Einfluss dies auf ihre Entwicklung hat.

In der Untersuchung wird erwähnt, dass 80 Prozent der Kinder zwischen 9 und 16 Jahren aus 11 europäischen Ländern einmal täglich auf ein Smartphone zugreifen, um das Internet zu nutzen. Im Jahr 2010 waren es nur 31 Prozent, was deutlich zeigt, dass die Internetnutzung durch Kinder stark gestiegen ist.

Natürlich lässt sich aus diesem Wert nicht ablesen, ob dieser Anstieg positive oder negative Auswirkungen hat. Es kann positiv sein, wenn die Zeit genutzt wird, um Wissen zu erlangen und damit die Bildung des Kindes gefördert wird. Negativ ist es, wenn die Zeit für Videos oder Videospiele genutzt wird, bei denen z.B. viel Gewalt vorkommt oder wiederholende Werbung Ablenkungen verursacht und den Fokus schwächt. Dies kann zu mehr Aggressivität bei Kindern führen.

Ein weiterer Punkt ist die Zeit, die täglich im Internet verbracht wird. Diese variiert zwischen den Altersgruppen stark. Die Altersgruppe von 15 bis 16 Jahren verbringt durchschnittlich bis zu 4 Stunden täglich im Internet, während die Altersgruppe von 9 bis 11 Jahren bei einer Stunde pro Tag liegt. Dies ist ein Durchschnittswert für 19 Länder, und es kann sein, dass Kinder viel länger online sind.

Die meiste Zeit wird für das Anschauen von Videos genutzt, bis zu 50 Prozent. An zweiter Stelle steht Online-Spielen. Die Kategorien „Internet für Hausaufgaben nutzen“ oder „Informationen für die Bildung suchen“ fallen dagegen schwächer aus. In der Untersuchung wird erwähnt, dass die Ermittlung dieser Werte nicht einfach war, da z.B. Kinder das Anschauen von Videos über einen Streaming-Anbieter auf einem Fernseher nicht als Video-Anschauen definierten, was dazu führte, dass der Wert für Video-Anschauen viel niedriger ausfiel, als er tatsächlich sein sollte.

In dieser Untersuchung ist sehr deutlich zu erkennen, dass sich die Nutzung des Internets in den meisten EU-Ländern zwischen 2010 und 2020 verdoppelt hat. Die meiste Zeit wird jedoch für Unterhaltungsaktivitäten wie das Anschauen von Videos, Online-Spielen oder Social-Networking verwendet.

Wenn also viel Zeit für Online-Aktivitäten verwendet wird, die nicht der Bildung, sondern mehr der Unterhaltung dienen, welche Auswirkungen kann dies auf die Konzentration oder den Fokus des Kindes haben? Hierzu habe ich im Artikel „Cortical surface variation in individuals with excessive smartphone use“, der 2022 im „Journal of Computer Assisted Learning“ veröffentlicht wurde, etwas sehr Interessantes gefunden.

In dieser Untersuchung wird untersucht, welchen Einfluss übermäßige Nutzung von Smartphones auf die physische Gesundheit und das Wohlbefinden bei jungen Erwachsenen hat. Die Untersuchung wird durch Nutzung der strukturellen Magnetresonanztomographie oder auch MRT genannt durchgeführt. Dabei wird untersucht, welchen Einfluss das übermäßige Nutzen des Smartphones auf die neurobiologischen Mechanismen hat. Man kann in dieser Untersuchung zeigen, dass übermäßige Nutzung von Smartphones mit einer abweichenden strukturellen Reifung von Regionen verbunden ist, die für die kognitive Kontrolle und emotionale Regulierung wichtig sind.

In einer weiteren Untersuchung mit dem Titel „Psychological and Emotional Effects of Digital Technology on Children in COVID-19 Pandemic“, die während der COVID-19-Pandemie durchgeführt wurde und untersucht, welchen Einfluss die Nutzung von elektronischen Geräten auf das physische und emotionale Verhalten hat, möchte ich den folgenden Text zitieren: Zusammen mit dem Risiko von Hirntumoren berichtete die WHO, dass Mobiltelefone ein Gesundheitsrisiko darstellen, einschließlich Aufmerksamkeitsmangel, beeinträchtigter Kognition, beeinträchtigten Lernen, Schlafstörungen und Stressempfindlichkeit. Andere Erkrankungen sind die Alzheimer-Krankheit, „erkrankte Demenz“, Depressionen, Angstzustände und das Risiko, eine mögliche neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln.

Natürlich wird in den Untersuchungen nicht eindeutig hervorgehoben, dass übermäßige Nutzung von Smartphones eine Auswirkung auf den Fokus oder die Konzentration hat. Doch sind die Ergebnisse besorgniserregend, weil die erhöhte Nutzung von elektronischen Geräten einen negativen Einfluss auf die Gehirnentwicklung bei Kindern hat, welches auch für kognitive Fähigkeiten und Kontrolle der Emotionen zuständig ist.

Natürlich möchte ich nicht herausbrüllen: „Nimmt den Kindern das Smartphone weg“. Denn dann würde ich den Kindern die Möglichkeit wegnehmen, leicht an Wissen zu gelangen und Wissen anzueignen. Wie gut auch diese Möglichkeit ist, zeigt die Untersuchung der „EU Kids Online“, wie wenig elektronische Geräte für die Bildung genutzt werden, sondern mehr für die Unterhaltung.

Die Erklärung benötigt Zeit und Geduld

Meine Frau und ich haben bemerkt, dass es sehr viel Zeit und Geduld erfordert, den Kindern das Smartphone zu verbieten. Denn Kinder sind sehr aktiv, neugierig und experimentierfreudig. Mein Sohn stellt mir jeden Tag mindestens tausend interessante Fragen, die ich sehr spannend finde. Einige Beispiele sind: „Wie groß muss eine Linse sein, um in einer Pfanne genug Hitze zu erzeugen, damit man Eier mit Sucuk darin braten kann?“ oder „Wenn ein Baby eine Körpergröße von einem Kilometer hätte, wie hoch würde es fliegen, wenn es pupst?“

Meine Tochter ist sehr kreativ und experimentiert gerne in der Küche. Sie zaubert erstaunliche Gerichte und hat uns vor kurzem ein leicht süßliches Gericht mit Schafskäse zubereitet, das ähnlich wie ein Toast schmeckte. Das Äußere des Toasts hatte sie mit Ei und Paniermehl leicht knusprig gemacht.

Es ist erstaunlich, wie wertvoll Kinder ihre Zeit nutzen können, wenn man sie dabei richtig unterstützt. Natürlich erfordert dies als Eltern viel Geduld und Ausdauer. Wenn mein Sohn mir die tausendste Frage stellt, antworte ich nicht immer mit der gleichen Geduld wie bei der ersten Frage.

Nachdem meine Tochter in der Küche experimentiert hat, sieht es meistens ziemlich chaotisch aus. Es dauert dann einige Stunden, bis die Küche wieder sauber ist.

Manchmal stellt man sich die Frage, wozu das alles gut sein soll. Man möchte am liebsten das Smartphone in die Hand drücken und das Kind in sein Zimmer schicken, damit man ein paar Stunden für sich selbst hat.

Aber ist das wirklich gut für die Kinder? Studien haben gezeigt, dass eine lange Nutzung des Smartphones negative Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten und die emotionale Kontrolle haben kann. Sollen wir wirklich das Risiko eingehen, dass unsere Kinder stundenlang auf einen Bildschirm starren und immer passiver werden, anstatt mit der Familie zu kommunizieren?

Ich möchte niemandem die Entscheidung abnehmen. Als Mutter oder Vater sollte man sich jedoch überlegen, was einem wichtiger ist: die Ruhe oder das Kind. Im Falle des Kindes sollte man jedoch dafür sorgen, dass man genug Energie tankt. Wenn man das nicht tut, kann es wie bei mir und meiner Tochter sein, als wir zusammen Englisch lernen wollten. An diesem Tag hatte ich zu lange gearbeitet und nicht genug Energie getankt, wodurch ich schnell verärgert und gereizt wurde. Mein Fokus war dadurch zerstreut und nicht auf das Lernen gerichtet. Doch ein guter Fokus ist hierbei sehr wichtig, damit man sich auf das Kind und das Lernen konzentrieren kann, ohne schnell abgelenkt zu werden und vom Ärger geleitet zu werden. Man möchte dem Kind auch ein gutes Beispiel geben, damit es lernt, wie wichtig ein guter Fokus ist, um im Leben voranzukommen.

Ich möchte also noch einmal betonen, dass es sehr wichtig ist, genug Energie zu tanken, wenn man als Mutter oder Vater geduldig sein Kind unterstützen möchte, damit es lernen kann, sich auf das Wesentliche im eigenen Leben zu konzentrieren!

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