Ein kleiner Superheld
In meiner Kindheit hegte ich den Wunsch, ein Superheld zu sein. Was dieses Gefühl so besonders machte, war die Tatsache, dass ich mich in der Rolle eines Superhelden als etwas Einzigartiges empfand. Besonders erinnere ich mich an die Momente, in denen ich mir meine Decke um den Hals band. Diese Handlung löste in mir damals unbeschreibliche Gefühle aus – ein Zusammenspiel von Stolz, aufkeimender Energie, unvergleichlicher Freude und grenzenloser Begeisterung.
Während sich diese positiven Emotionen in mir ausbreiteten, schien die Welt um mich herum für einen Augenblick in den Hintergrund zu treten. Die Wohnung wurde verlassen, und ich stand im Freien. Für jeden, der sich in meiner Nähe befand, mag es sicherlich seltsam erschienen sein – ein kleiner Junge mit einer Decke um den Hals gewickelt. Glücklicherweise war meine Decke nicht allzu lang; sonst wäre das Risiko, beim Rennen darüber zu stolpern, sicherlich groß gewesen.
Dennoch erinnere ich mich, dass es in diesen Augenblicken ein wahrhaft wundervolles Gefühl war. Ich konnte förmlich die Energie und Kraft in meinen Adern spüren.
Warum der Superheld mich verlassen hat
Als Menschen, die mich gut kennen, mich mit einer Decke um den Hals gebunden auf der Straße sahen, sprachen sie mich darauf an. Sie wiesen mich darauf hin, dass mein Verhalten nicht gerade vorbildlich sei. Das brachte mich zurück in die Realität. Meine zuvor positiven Emotionen wurden von Gefühlen der Unsicherheit, Scham und des Ärgers ersetzt.
Ich war verärgert, weil ich aus meiner Traumwelt herausgerissen wurde. Ich schämte mich, da man mir deutlich machte, dass solch ein Verhalten nicht angebracht sei. Die Unsicherheit stieg in mir hoch, weil ich nicht wusste, wie ich mit der Situation umgehen sollte.
Damals war mir noch nicht bewusst, dass letztlich von mir selber abhängig ist, wie ich mit meinen Gefühlen umgehe. Dies gilt auch für die folgende Situation; Wenn ich mich als blinden Menschen betrachte, spüre ich Angst und Unsicherheit. Doch wenn ich mich als jemanden sehe, der die Chance hat, die Welt anders zu erleben als viele andere, spüre ich Begeisterung und Lebenskraft. Wir haben die Wahl, in welchen Gefühlen wir uns täglich verlieren, und können somit aktiv unser Leben beeinflussen. Es ist für mich notwendig, täglich zu reflektieren, wie ich mich fühle, um so positiv auf meine Erlebnisse einwirken zu können. In diesem Artikel möchte ich Ihnen eine Methode vorstellen, die helfen kann, die Gefühle bewusster wahrzunehmen. Dies wird Ihnen nicht nur ein besseres Selbstverständnis geben, sondern Ihnen auch ermöglichen, aktiv auf Ihr Wohlbefinden Einfluss zu nehmen.
Lerne Dich durch deine Gefühle besser kennen
Ich sitze mit einem Freund zusammen und frage ihn, ob er sich heute schon „begeistert“ gefühlt hat. Dabei soll er auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten, wie stark er dieses Gefühl heute bereits erlebt hat, wobei „1“ bedeutet „überhaupt nicht“ und „5“ „sehr intensiv“. Er überlegt kurz und sagt „1“. Danach frage ich ihn nach den Gefühlen „stark“, „stolz“, „interessiert“ und „aufmerksam“. Er antwortet, er fühle sich „stolz“ mit einer „1“, „stark“ ebenfalls mit einer „1“, „interessiert“ mit einer „1“ und „aufmerksam“ mit einer „3“.
Dann frage ich ihn nach den Gefühlen „verärgert“, „allein“, „niedergeschlagen“ und „schlapp“. Er bewertet all diese Gefühle mit einer „3“.
Ich frage weiter, welche Gruppe von Gefühlen er in den letzten Tagen häufiger gespürt hat: die positiven oder die negativen. Er antwortet, dass er mehr die negativen gefühlt hat. Daraufhin mache ich ihn darauf aufmerksam, dass er sich in den letzten Tagen keine Chance gegeben hat, emotionale Energie zu tanken. Wenn er sich keine Gelegenheit gibt, emotionale Energie zu tanken, dann werden seine Gespräche mit Familie, Freunden oder Kollegen eher negativ verlaufen. Man kann sich das folgendermaßen vorstellen: Die Reize aus der Umwelt werden durch diese negativen Einstellungen gefiltert. Dementsprechend werde ich diese Reize negativ bewerten.
Dies wird durch die folgende Reaktion meines Freundes deutlich: Er sagt unmittelbar nach der Frage, wie ein Gespräch mit Kollegen positiv verlaufen soll, wenn alle gegen ihn sind. Es geht nicht darum, die anderen zu verändern, sondern darum, die eigene Sichtweise zu ändern und besser mit den eigenen Gefühlen umzugehen.
Leider haben wir die Gewohnheit, uns den anderen anzupassen und nicht unsere eigenen positiven Gefühle zu entwickeln. Ich frage mich, wie ich heute wäre, wenn ich meine positiven Gefühle aus meiner Kindheit weiterentwickelt hätte. Vielleicht wäre ich heute ein Superheld geworden. Auf meiner Brust prangt ein großes „E“, das für „Energix“ steht – ein Superheld, der Menschen dabei hilft, sich im Leben persönlich weiterzuentwickeln, auch wenn sie Einschränkungen haben.
Ein schönes Instrument aus der Kiste von Energix, um sich emotional Weiterzuentwickeln, ist der Positive and Negative Affect Schedule (PANAS). Der PANAS ist ein Instrument, das entwickelt wurde, um zwei grundlegende Dimensionen der Stimmung und Affektivität zu erfassen: Positiven Affekt (PA) und Negativen Affekt (NA). Diese beiden Dimensionen werden als unabhängig voneinander betrachtet, was bedeutet, dass das Vorhandensein positiver Gefühle nicht notwendigerweise das Fehlen negativer Gefühle impliziert, und umgekehrt.
Der PANAS besteht aus einer Liste von 20 Adjektiven, die emotionale Zustände beschreiben – 10 davon bilden die Skala für Positiven Affekt, wie zum Beispiel „interessiert“, „stark“, und „begeistert“, und die anderen 10 repräsentieren die Skala für Negativen Affekt, einschließlich „verärgert“, „nervös“, und „schuldig“. Die Befragten bewerten auf einer Likert-Skala von 1 bis 5, inwieweit sie jedes Gefühl in einem bestimmten Zeitrahmen, der von „im Moment“ bis „in der letzten Woche“ oder „allgemein“ reichen kann, erlebt haben.
Die regelmäßige Anwendung des PANAS kann zu einer erhöhten Selbsterkenntnis der eigenen Gefühlswelt beitragen. Der PANAS ist ein Selbstberichtsinstrument, das dazu dient, positive und negative Affektzustände zu messen.
Der PANAS kann auch dabei helfen, Gefühle feiner einzuordnen. Wie beantworten Sie folgende Frage: „Wie fühlen Sie sich in diesem Moment?“ Wie würden Sie diese Frage beantworten? Vielleicht mit „gut“ oder „schlecht“?
Wie wäre es aber mit „begeistert“, „energievoll“, „stark“, „aufmerksam“, „angeschlagen“, „energielos“, „müde“ oder „besorgt“? Dadurch hat man ein größeres Spektrum an Affekten zur Verfügung und kann sich selbst viel besser verstehen als nur mit „gut“ oder „schlecht“.
Das Strahlen des ‚E‘: ein besonderes Leben mit einer Einschränkung
Was hat es nun für einen Nutzen, wenn man ein Spektrum an Affekten zur Verfügung hat? Zuerst einmal kann man sich viel besser einordnen, wie man sich fühlt.
Dies ist so, weil man sich viel bewusster wahrnehmen kann.
Ganz besonders ist es für mich, wenn ich erkennen kann, welche Gefühle ich in mir trage und Strategien überlege, wie ich mit diesen Gefühlen besser umgehen
kann. Wenn ich eine Welle von Ärger oder Wut spüre, dann weiß ich, was ich tun muss. Meistens schließe ich meine Augen und konzentriere mich auf meine
Herzregion. Dadurch merke ich, wie eine Welle der Ruhe in mir sich ausbreitet. Das führt dazu, dass meine Gespräche viel angenehmer und friedvoller verlaufen.
Durch die größere Anzahl von Affekten im PANAS wird mir auch bewusst, dass ich mir Aktivitäten im Beruf und im Leben aussuchen kann, die dazu führen, dass
ich mich „begeistert“, „interessiert“, „lebendig“ oder „stark“ fühle.
Dadurch kann ich viel emotionale Energie tanken. Durch das Tanken von emotionaler Energie komme ich erfolgreicher im Leben voran. Als Blinder habe ich
festgestellt, dass diese Wahrnehmung sehr wichtig ist. Sie hilft mir, besser im Leben voranzuschreiten.
Ganz besonders ist es, wenn ich mich mehr im negativen Spektrum befinde, also so etwas wie genervt, gelangweilt, verärgert, lustlos oder alleine fühle.
Dadurch stelle ich fest, wie mein großes „E“ auf der Brust verblasst und anfängt zu verschwinden. Dann mache ich etwas, was mich begeistert, interessiert
oder wachsamer macht. Das sind manchmal ganz einfache Dinge, wie Musik hören, ein paar Kurznachrichten an meine Kinder schicken oder mit meinem Lieblingsinstrument
spielen. Dann stelle ich fest, wie das „E“ auf meiner Brust klarer wird und hell leuchtet.
Wenn ich dann Texte wie diesen schreibe, wird das Leuchten des „E“ noch viel stärker. Ich vergesse, dass ich blind bin und stelle fest, dass ich eine besondere
Fähigkeit der Wahrnehmung entwickle.